Samstag, 29. September 2012


Markus 10, 35 - 45; Bonhoeffer über das Gewissen

Die Jünger um Jesus sind verwirrt. "Also, wenn wir alles stehen und liegen lassen und dir folgen, dir glauben, dir vertrauen, dann... werden wir also belohnt und das ewige Leben erlangen... Geht da nicht noch was?", denken sich Jakobus und Johannes und bitten Jesus: "Wir möchten, dass du uns rechts und links neben dir sitzen lässt, wenn du deine Herrschaft angetreten hast."

Macht. Auch für uns ein schwieriges Wort, das mit unangenehmen Gefühlen verbunden ist, weil wir schnell an den Missbrauch von Macht denken. Was bedeutet es, wenn Jesus seine Herrschaft antritt? Was ist seine Macht? 

Und natürlich stehen auch die anderen Jünger sofort zur Stelle und ärgern sich über die Bitte, die Jakobus und Johannes an Jesus gerichtet haben, wahrscheinlich, weil sie befürchten, dass sie zu kurz kommen könnten. Ihnen ein Stück vom Kuchen verloren gehen könnte.

Und die Antwort, die Jesus all seinen Jüngern gibt ist: "Wer von euch groß sein will, soll euer Diener sein, und wer der erste sein will, soll allen anderen Sklavendienste leisten."

Dieses Thema wird uns auch am kommenden Bibelabend beschäftigen, an dem ich leider nicht dort sein werde. Grundlage werden zwei Texte von Bonhoeffer sein, auf die ich hier passenderweise eingehen möchte.

In dem ersten Text definiert Bonhoeffer das Gewissen als ein Streben der menschlichen Existenz nach Einheit mit sich selbst. Wir haben am letzten Bibelabend an unserem Tisch ein ganz ähnliches Gesprächsthema gehabt: sich mit sich selbst lebendig fühlen, mit sich selbst warm sein. Darum geht es auch hier, wenn Bonhoeffer vom Gewissen spricht.

Aber was bedeutet das inhaltlich, vor allem, wenn es um das Leben und das Gewissen eines Christen geht. Ganz allgemein bedeutet dies wohl zunächst, dass ich mit meiner eigenen Autonomie (in diesem Zusammenhang wird übrigens spannenderweise Adam und der Sündenfall als Ursprung genannt) versuche, mich vor mir selbst (vor den anderen Menschen aber auch vor Gott) zu rechtfertigen indem ich mich an ein selbstgefundenes Gesetz orientiere.



An dieser Stelle lassen sich nun gut die theoretischen Überlegungen eines wichtigen Entwicklungspsychologen einbinden. Lawrence Kohlberg beschreibt die moralische Entwicklung über die Lebensspanne wie folgt: Zunächst mögen es Autoritäten sein, die mir als Kind eine Richtung geben und deren Regeln ich (aus Angst vor Bestrafung) einhalte. Später sind es individuelle Beziehungen, die mich leiten, dann gesellschaftliche Konventionen (die Einhaltung von Gesetzen zum Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung). Erst in der nächsten Entwicklungsstufe geht es darum, eigene moralische, ethische Prinzipien als Orientierungspunkt zu wählen, die durchaus mit den gesellschaftlichen Konventionen in Konflikt geraten können, wenn diese überwunden werden.

Von einer solchen Überwindung spricht auch Bonhoeffer, wenn er von Kants Prinzip der Wahrhaftigkeit schreibt, die der Verantwortung im Sinne der Nächstenliebe in grotesker Weise entgegenstehen kann. Beispielsweise, wenn ich einem in mein Haus eindringenden Mörder das Versteck meines Freundes in meinem Haus verraten muss, um Wahrhaftig zu bleiben ("Du sollst nichts Unwahres über deine Mitmenschen sagen!"). Was für ein Unsinn!

Bonhoeffer beschreibt nun, dass das natürliche Gewissen durch den Glauben an Jesus Christus zu einem Gewissen wird, das befreit ist: befreit von der Angst (s.o.) und befreit von dem Gesetz (s.o.) und ersetzt durch den lebendigen Gott und den lebendigen Menschen. Das ist dann das Ziel und der Ursprung des Gewissens in Christus. Und aus diesem ergibt sich die Verantwortung für den Nächsten, aus der heraus ich auch manchmal Schuld auf mich laden muss. Aber dies immer im Vertrauen auf das Geschenk und die Zusage Gottes.

Das bedeutet nach Bonhoeffer Gewissen und Verantwortung in Jesus Christus. Hierzu passt eben dann auch das, was ich an einem der letzten Abende erzählt habe: Ein Mann tritt nach seinem Leben vor Gott und zeigt ihm seine reinen Hände und Gott sagt: "Diese Hände sind nicht rein sondern leer. Du hast dich nie engagiert, dir nie die Hände schmutzig gemacht, dich nie eingesetzt. So war es nicht gemeint."

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