Sonntag, 20. Mai 2012

Psalm 91

Neben Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist gerade in den letzten Abschnitten auch das Thema Schutz angeklungen - all die Dinge, die einem geschenkt werden, wenn man Gott vertraut, sich schwach gegenüber dem Heiligen Geist zeigt. Es ist interessant, dass gleich in dem ersten Vers gesagt wird, dass der, der im Schutze Gottes lebt, Ruhe findet. Ruhe im Schatten des Allmächtigen. Vielleicht fällt es schwer in diesen Schatten zu treten, heraus aus dem Kampf um den Platz an der Sonne. Aber dort findet man die Ruhe. Keine Hatz mehr um alles, was man haben kann. Das Glück in dem finden, was Gott schenkt. Und die letzten Geschichten haben gezeigt, dass Gott alle beschenkt. Auch die, die irrten und umkehrten.

Und mit dem Gedanken aus Küngs Buch (Hans Küng: "Jesus", gerade bei Piper erschienen), dass für Gott immer Gegenwart ist und es von daher nicht darum geht, dass Vergangenes aufgerechnet wird und diese Rechnung eine Grundlage für die Barmherzigkeit Gottes darstellt, sondern darum, dass Gott in Jesus offenbarte, dass es um die Zukunftsgestaltung im Hier und Jetzt geht, um den Entschluss zur Umkehr, um die Schwäche, dem Heiligen Geist Einlass zu gewähren, dann wird deutlich, woran es dem daheimgebliebenem Sohn mangelt.

Und darum ist auch jetzt viel klarer, warum Jesus gegen die Gesetze (und nicht gegen die einst hinter diesen Gesetzen stehende Idee Gottes vom Zusammenleben der Menschen und der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen) rebelliert. "Schaut nicht danach, rechnet nicht auf, hakt nicht ab, was ihr schon alles erfüllt habt, zählt keine Punkte, denn all dies führt nicht zu Gott. Ich nehme euch diese Gesetze, denn sie verwehren euch den Weg zu Gott. Heute ist der Tag, an dem ihr diese Steintafeln, die ihr als schwere Last und als steinernes Herz in eurer Brust tragt, durch ein pulsierendes Herz aus Fleisch ersetzen könnt, welches euch auf dem Weg in die neue Zukunft in der Brust schlagen wird." Das ist die Freiheit, die uns Jesus schenkt.

Samstag, 19. Mai 2012

1 Mose 33, 1-11

Jakob hat sich getäuscht: Sein Bruder empfängt ihn mit Tränen, umarmt ihn, küsst ihn, seinen verlorenen Bruder. Es ist als begegne er Gott, der so barmherzig ist. Die Liebe und Barmherzigkeit des Vaters (in Lukas 15, 11-32) und des Bruders (hier in diesem Abschnitt). “Lass uns wieder dort beginnen, wo die Wege uns getrennt haben und nicht über das sprechen, was uns getrennt hat.”

Funktioniert das so? Wahrscheinlich ist das sehr selten. Auch in meiner Familie gibt es viele Daheimgebliebene, Gekränkte, Gerechte. Und wer kann sich schon davon freisprechen, diese Gefühle zu haben? Wenn ich von diesen Dingen lese, mit den Anderen im Bibelkreis über die Geschichte vom verlorenen Sohn spreche, dann spüre ich, dass es schön ist, davon zu lesen und zu hören, dass es anders geht. Aber diese Gefühle des anderen Sohnes, der so leicht in der Geschichte übersehen wird, der aber seine Funktion in der Geschichte hat (sonst wäre er unerwähnt geblieben), die sind dann auch immer da. Ja, ich kann ihn auch gut verstehen...
1 Mose 32, 2-22

Jakob, inzwischen in der Ferne wohlhabend geworden, forciert die Wiederbegegnung mit seinem Bruder Esau. Er schickt ihm Geschenke als Zeichen der Versöhnung. Aber Esau kann nicht vergessen, was sein Bruder getan hat. Er zieht ihm mit Soldaten entgegen. Eine Schlacht kündigt sich für den nächsten Tag an, und Jakob fürchtet sich. Dann sagt er etwas, das mich an die Worte des verlorenen Sohnes an seinen Vater erinnert, der ihn mit Liebe empfängt (“Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen” in Lukas 15, 21): “Ich bin es nicht wert, dass du mir, deinem Diener, mit so großer Treue und grenzenloser Liebe begegnest.”
1 Mose 28, 10-22

Gehört Jakob am Ende zu den verlorenen Söhnen? Die, die umkehren und Gottes Barmherzigkeit, Gottes Segen erfahren? - In diesem Abschnitt wird ein ganz besonderer Moment auf der Flucht Jakobs erzählt. Jakob träumt von Gott, der ihm sagt, dass er bei ihm sein wird und ihn beschützen, ihn niemals im Stich lassen wird. Und Jakob gibt Gott die Zusage, dass er sein Gott sein wird. Ein Gelübde von einem, der seine Nächsten betrogen hat. Ist das seine Umkehr, der Beginn seines Umdenkens?

Samstag, 5. Mai 2012

Lukas 15, 11-32

Dieser Abschnitt befindet sich nicht im Leseplan, aber er hat uns beim letzten Mal im Bibelkurs beschäftigt und zu einer lebhaften Diksussion um die Themen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, zwei ganz zentrale Begriffe der Bibel und des Glaubens, geführt. Darüber hinaus passt dieser Abschnitt aus meiner Sicht auch sehr gut zu der Frage, die sich auch in der Jakobgeschichte widerspiegelt. Was sind das für Menschen, für die Gott mehr Freude als für andere Menschen empfindet, denen er mehr zugetan ist als anderen Menschen?

Das Thema ist schon mehrmals in meinem Blog angeklungen: Kain und Abel - die Ungleichbehandlung der beiden Brüder und der auf diesen folgende Brudermord; Isaak und Isamel - der Sohn der Freiheit (sich für den Heiligen Geist zu entscheiden) und der Sklavin (sich an Gesetze zu halten); die Sünder, die den Weg verlassen haben, und die, die sich für gerecht halten. Und eben nun Jakob und Esau. Hinter diesen Alternativen steckt immer auch eine bewusste Wahl Gottes für oder gegen etwas oder jemanden und damit auch ein Entscheidungsprinzip, das Aufschluss über Gottes Wille geben kann. Gott sind offenbar nicht alle Menschen in gleicher Weise recht.

Beim Vorlesen des Textes im Kreis konnte ich so gut den Bruder verstehen, der all die Jahre bei seinem Vater geblieben ist, ihm gedient hat, nie vom Weg abgekommen ist, sein Geld nicht verprasst hat, der für das, was er in all der Zeit getan hat, nicht einmal eine Ziege von seinem Vater bekam, um mit seinen Freunden ein Fest zu feiern, wie das Kind, das immer artig ist und nie dafür gelobt wird. Im Gegensatz zu dem Kind, das so oft das elterliche Blut zum Kochen bringt und dann, wenn es sich einmal lieb zeigt, gelobt wird und sich etwas aussuchen darf. Wie die Schwester, die am Geburtsort bleibt und sich um die alternden Eltern kümmert und Lebensträume aufgibt während die andere Schwester auszieht, um sich zu verwirklichen, dann scheitert und zurückkehrt.

Was will Gott??? Wen will Gott??? Und was sagt dieser wichtige Abschnitt darüber aus?

Ist es wirklich so, dass diejenigen, die sich für gerecht halten und meinen, sie könnten sich durch ihr Verhalten Gottes Liebe “erkaufen”, gemeint sind. Zeigt die Geschichte abermals die dunklen Gefühle, die Menschen haben können, wenn es um Gerechtigkeit und den Vergleich mit anderen geht? Soll diese Geschichte mich auf eine Lebensweise aufmerksam machen, der ich versuchen soll zu folgen? Oder erzählt die Geschichte vielmehr oder auch von der Barmherzigkeit des Vaters, Gott, die wir als sein Sohn, der geblieben ist und ihm stets treu zu Diensten war, nicht verstehen können?

Immer wieder rutscht auch mein Blick in die letzten Zeilen des Gleichnisses vom verlorenen Schaf (Lukas 15, 7): “Genauso ist im Himmel die Freude über einen verlorenen Sünder, der zu Gott zurückkehrt, größer als über neunundneunzig andere, die gerecht sind und gar nicht erst vom Weg abirrten!”

Ist es besser, vom Weg abzukommen und dann zurückzukehren? Zu betrügen, so wie Jakob es tut, um später bereuen zu können?